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Musikdirektor und Lehrer in Stettin

Nach erfolgreicher Prüfung und Empfehlung durch Karl Friedrich Zelter (1758-1832) in Berlin übernimmt Carl Loewe 1820 in Stettin das Amt des Organisten an der Jacobikirche. Er wird Gesangslehrer am Gymnasium, Lehrer für Orgelspiel und für Gesang am damaligen königlichen Seminar für Elementar-Lehrer.

Seine pädagogische Arbeit wird hoch geschätzt: „...er besitzt ausgezeichnete Lehrgaben und weiß seine Schüler für seinen Unterricht zu gewinnen, und handhabt die Disziplin mit mildem Ernst; alle Schüler sind ihm mit Liebe zugetan; sein sittliches Betragen ist ohne allen Tadel…“

Carl Loewe galt als hervorragender Sänger, als vorzüglicher Kantor, Pianist und Organist. Seine drei großen musikalischen Schriften sind folgerichtig eine Gesang-Lehre, eine Balladenschule sowie Anweisungen für den Kantorendienst und für das Klavier- und Orgelspiel (Der Musikalische Gottesdienst).

Mit Beginn seiner Tätigkeit in Stettin fand Carl Loewe recht schnell Zugang zu den Gesellschaften der Geheimrätin Sophie Auguste Tilebein im Schloss zu Züllchow, in die er von seinem Schwiegervater Staatsrat von Jacob ein Jahr nach der Vermählung mit Julie im September 1822 eingeführt wurde. Dort wurde er mit den wichtigsten Personen des öffentlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens bekannt. Die Geheimrätin unterstützte und förderte Carl Loewe in jeglicher Hinsicht durch ihre Kontakte mit höchsten gesellschaftlichen Kreisen.

Auf Einladung der Frau Geheimrätin brillierte Loewe oft am Flügel, sang Lieder bekannter Komponisten, trug aber auch seine eigenen Kompositionen – sehr oft mit seiner zweiten Frau, der Sängerin Auguste Lange, vor. Scherzhaft wurde er der „Züllchower Hof-Kapellmeister“ genannt.

Mit der Funktion des Städtischen Musikdirektors übernahm Loewe das Orgelspiel in der Jacobikirche und die musikalische Leitung des Gottesdienstes an Sonn- und Feiertagen sowie die Aufführung von Kirchenmusiken zu allen kirchlichen Festen. Er brachte die bis dahin traurigen Musikverhältnisse in der Stadt Stettin auf ein erfreuliches und anerkennenswertes Niveau.

Neben den Aufführungen in der Marktkirche entwickelte sich auch in der Pommerschen Hauptstadt ein reges musikalisches Leben in Privatkreisen. Neben dem Hause der Geheimrätin Tilebein, waren es vor allem die Abende bei Bischof Ritschl in Stettin, wo gemeinsam aktuelle, aber auch klassische Stücke gesungen und gespielt wurden.

Die Aufführungen in der Jacobi-Kirche , insbesondere seiner eigenen Oratorien mit dem von ihm entwickelten Chor, waren stets hervorragend besucht. Dabei übernahm seine zweite Frau Auguste Lange oft die hohen Sopran-Partien und Carl Loewe selbst den Tenor-Part.

Er sorgte für ein reiches Konzertleben in Stettin, so wurden z. B. in sogenannten Abonnements-Konzerten die Große Ouvertüre in C-Dur von Beethoven, das Oratorium Paulus von F. Mendelssohn-Bartholdy, zwei Teile der Jahreszeiten von Haydn, ein Requiem von Mozart, ein Oratorium von Spohr u. a. aufgeführt. In der Aufführung von Bachs Großer Passionsmusik wirkten zwei große Chöre und ein doppeltes Orchester mit.

Vom ersten Tag an beeindruckte Carl Loewe die Schnitger-Orgel in der Jacobi-Kirche. „Diese Orgel der ehrwürdigen Kirche mit ihren zahlreichen mächtigen und zarten Stimmen habe ich geliebt, wie man eine menschlich schöne Seele liebt, in deren Tiefen man Leid und Freud unbesorgt niederlegen kann, und in der man Verständnis, Trost und Freunde findet.“ (Loewe in seiner Selbstbiographie)

Es wurde berichtet, dass „Menschenmassen in seine Orgel-Vespern zu St. Jacobi strömten und manch einer unter dem musikalischen Donnerwetter oder dem süßen Engelgesang zu Tränen gerührt wurde“.

Die Kontakte zu dem Stettiner Mathematikprofessor Professor Ludwig Grassmann und ihre wissenschaftlichen Diskussionen zu Messungen der Töne, ihre Schwingungen und Hörumfang führten zu Loewes Anerkennung als ausgewiesener Experte bei der Abnahme neuer oder restaurierter Orgeln, die er in Pommern im behördlichen Auftrag durchführte.

Schnitger-Orgel in der Jacobi-Kirche Stettin

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